Wenn ich könnte wie ich wollte ...

R. B.
"Wenn ich könnte wie ich wollte," würde ich mit meiner Frau nach Patagonien auswandern oder vielleicht auch in den "kleinen Süden" von Chile. Dorthin wurden Mitte des 19. Jahrhunderts viele deutschsprachige Menschen aus Zentraleuropa angesiedelt. Angeblich entspricht die Landschaft dem deutschen Schwarzwald. Man braucht allerdings mehrere Garnituren Regenkleidung und einen Regenschirm immer zur Hand, besonders in der Schlechtwetterperiode. Sprache: Spanisch. Das chilenische Konsulat in M. ist bei meinem Büro um die Ecke. 
Hallo lieber Herr B.,
wer oder was hindert Sie? Ich kann mich den Worten von F. nur anschließen. Machen Sie es!
Gehen Sie hin zum Konsulat, erkundigen Sie sich über das Land. Schnappen Sie Ihre Frau, fliegen Sie mal hin (beamen geht ja nicht ;)), schauen Sie sich an, was Sie erwarten würde. Wägen Sie Für und Wider ab, überprüfen Sie wie weit Sie ggf. aus der Komfortzone raus müssen, seien Sie ehrlich zu sich selbst, ob Sie es könnten. Und wenn Sie und Ihre Frau mit den Nachteilen Chiles besser leben können als mit den Nachteilen Deutschlands (nie auf die Vorteile schauen, mit denen lebt es sich immer gut ;)). Ab durch die Mitte! Man(n und frau übrigens auch) kann Träume träumen, aber Träume leben geht auch.
Über 4 Jahre ist es nun her, dass ich auswanderte. Süden Sardiniens, Sprache: Italienisch. Und ich hatte noch nicht mal das Konsulat ums Eck. ;) Ach herrje, was hat man mir alles erzählt, damit ich es besser nicht mache. Es gibt einen Menschen dem ich unendlich dankbar bin, das ist mein seit langem verstorbener Vater. Er gab mir Werte wie Worte mit auf den Weg, die sich mir sehr einprägten. Was er sagte, sagte er immer mit einem gewissen Kohlenpottcharme, so konnte ich sie immer mit einem zwinkernden Auge nehmen.
Wenn ich ihm sagte, ich weiß nicht ob ich es machen soll oder nicht. Dann sagte er mit ernster Miene: „Denk dran, das Leben ist kurz wie nen Furz!“ Ich muss heut noch drüber grinsen. Dann lachten wir und dann tat ich, was mir in den Sinn kam – bis heute.
Obwohl ganz so einfach war es nicht immer, manchmal zweifelte ich auch. Wenn ich also unsicher wurde und ihm sagte, ich weiß nicht, wenn ich es mache dann ist ja das und das und außerdem und überhaupt … Dann zwinkerte er mir zu und sagte regelmäßig: „Ja, ja, wenn der Hund nicht geschissen hätte, dann hätte er nen Hasen gefangen.“ Und wenn er merkte, dass es nicht reichte, fügte er ernster hinzu: „Es wird immer nur einen Grund geben etwas zu tun, um etwas nicht zu tun, kannst du bis zu tausend Gründe finden!“ Und wenn er noch ernster werden musste, kam nur noch: „Was kann denn schon passieren?“ Ich lernte, dass man hinfallen, aber auch wieder aufstehen konnte. Egal was passierte, die Erde hatte nie aufgehört sich zu drehen und die Sonne hatte nie aufgehört zu scheinen. Vielleicht schien sie grad mal nicht über dem Kontinent auf dem ich mich befand, das war’s.
Wer auswandert, darf auch wieder einwandern ;), steht nirgendwo, dass es verboten wäre. Man darf es ruhig unter dem Aspekt sehen, dass man es ausprobiert und wenn man im Vorfeld schon feststellen sollte, oh nee, das ist doch nichts, dann ist das auch in Ordnung. Aber manchmal gab und gibt es ja dann diese Menschen, die man andere Leute nennt. Die haben manchmal keine Vorstellung vom eigenen Leben, aber von dem anderer (deswegen heißen die bestimmt auch andere Leute ;)). Wenn ich noch einen letzten Zweifel hegte, der aus meinem Umfeld entstand und ich bei meinem Vater mit folgendem Sätzen begann: „Die anderen haben aber gesagt … , Die anderen könnten denken, dass …“. Dann fragte er mich: „Bist du die anderen?“ Konnte ich nur verneinen, ich war ja ich. Er wusste, dass ich verneinen musste ;). Und dann fragte er noch: „Wenn willst du sehen, wenn du in einen Spiegel schaust, dich oder andere?“ Er wusste, dass ich schon mich sehen wollte. Somit ging es dann immer wie folgt weiter: „Also du bist nicht die anderen, du willst dich im Spiegel sehen, dann mach doch auch dein Ding oder glaubst du ernsthaft, dass „die anderen“ wer auch immer das sein mag, nicht so oder so über dich denken und sagen, was sie über dich denken oder sagen wollen?“
Wenn Sie mich fragen würden, ob es schwer war auszuwandern. Dann müsste ich Ihnen der Fairness halber sagen: „Ja!“ Wenn Sie mich fragen würden, ob ich es je bereut hätte. Dann wäre es ein klares: „Nein!“ Klar gab es Tage an denen ich zweifelte und trotzdem würde ich es immer wieder tun. Immer! All diese Erlebnisse und Erfahrungen, die Zeit, all das kann mir keiner mehr nehmen – gelebter Traum, kein „ach hätte ich mal“ am Ende des Lebensweges. 
Und Herr B., eins müssen Sie mir versprechen, wenn Sie auswandern und da irgendwo im tiefsten Chile, son Typen finden, der behauptet, der könnte beamen, den will ich kennen lernen ;).
Einen hab ich noch ;), wissen Sie was, auch wenn Sie ggf. kein Zeichentrickfan sind, es gibt so einen netten kleinen Film, der so wunderbar zeigt, warum man seine Träume leben sollte: „Oben“ von pixar / Disney. Oder auch wunderbar: „Wie im Himmel“ bei dem sollte man allerdings wissen, dass man son bisschen Pipi inne Augen mit einplanen kann. Muss nicht ;), kann aber.
Leb‘ Deine Träume von Luxuslärm: http://www.youtube.com/watch?v=NpZZTNa2uCQ :)