Fußgängerzone. Samstagmittag. Geschäftiges Treiben.
Stimmengewirr. Sonne erwärmt die Luft.
Eine Bank im Schatten ist mein Ziel. Ich blicke den
Vorbeilaufenden nach, verliere sie in der Menge. Laute
Stimmen dringen an meine Ohren. Obdachlose lassen sich auf
den gegenüberliegenden Bänken nieder. Die Sonne setzt sie
in Szene.
Schließe die Augen. Erinnerungen werden wach.
Rieche seine Bierfahne vermischt mit Erbrochenem.
Die Hose ist naß. Das Gesicht hat an Farbe
verloren.
Augen! Die unvergessen bleiben.
Bushaltestelle Stadtgarten: Meine Bushaltestelle nach
Hause war seine Heimat. Dort traf ich ihn das erste Mal.
Albert nannten sie ihn. An seiner Jacke fehlten fast alle
Knöpfe. Die noch Vorhandenen steckten in den falschen
Knopflöchern. Die ursprüngliche Farbe seiner Kleidung war
nicht mehr zu erkennen. Seine Kordhose könnte vielleicht
mal beige gewesen sein. Alberts Fingernägel waren gelbgrau.
Die Hände rot und rissig. Er spuckte, wenn er sprach. Seine
Stimme war rauh und kratzig.
Ich war zwölf und er fünfundvierzig. Wir kamen ins Gespräch,
einfach so. Er erzählte wie er seinen Job verlor. Seine Frau
hatte ihn verlassen und doch fand er nur liebevolle Worte für sie.
Ein Leben auf der Straße war nie sein Plan. Umkehren?
Nein, er sagte immer wieder, es gäbe keinen Weg zurück.
Öffne meine Augen. Die lauten Obdachlosen sind nun still.
Sie schauen nach rechts. Ich folge ihren Blicken. Nun sehe
ich sie auch. Eine Schwarze mit tiefen Narben an Händen
und Armen. Ihr Gang: federleicht und doch bestimmt. Ihre
Augen scheinen ein Ziel in weiter Ferne zu erfassen. Ihre
Kleidung ist bunt, scheint zu tanzen. Sie fällt auf in
jeder Hinsicht. Bevor sie vorübergeht, treffen sich kurz
unsere Blicke.
Augen! Die unvergessen bleiben.